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Volk

Als ich ein Kind war, sahen alle Menschen in Deutschland genauso aus wie ich, also wie Zentral- und Nordeuropäer/innen eben aussehen. Ein Freund von mir aus Ghana erzählte immer gern davon, wie er in den 1950ern als Student nach Deutschland gekommen war. Insbesondere die Kinder starrten ihn überall mit offenem Mund an: dass es überhaupt Menschen mit einer so dunklen Hautfarbe gab, war eine riesengroße Überraschung für sie. Der Freund betonte dabei immer, in dem Starren habe nichts Feindliches gelegen, sondern nur das blanke Erstaunen.
Die Zeiten verändern sich, und sie haben sich immer verändert. Heute gibt es deutsche Menschen mit jeder Haarfarbe, jeder Hautfarbe, jedem Herkunftsland, jeder Muttersprache. Die Zeiten, in denen wir Deutschen alle gleich aussahen, sind vorbei. Es ist unnütz, das schön oder nicht schön zu finden. Veränderungen hält man nicht auf; versucht man es trotzdem, kann man nur unglücklich dabei werden.
Ich erinnere mich noch genau daran, als sich in dem Pflegeheim meiner alten Mutter erstmals ein männlicher Pfleger und eine dunkelhäutige Pflegerin um sie kümmern wollten. Sie war schockiert. Nur wenige Wochen später waren die beiden zu ihren Lieblingen geworden. Da war sie schon weit über 80 Jahre alt, aber ihre Fähigkeit, sich mit den neuen Gegebenheiten anzufreunden, ließ sie jung bleiben.